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Tricktherapie mit Schilddrüsenhormon: Die Leber bekommt ihr Fett weg

Ein neu entwickelter Wirkstoff benutzt ein natürliches Hormon, um ein anderes gezielt in Leberzellen einzuschleusen – um dort den Stoffwechsel ankurbeln und damit die sogenannte Fettleber zu beheben. Zu den durchaus erwünschten „Nebenwirkungen“ gehören vermindertes Körpergewicht, verbesserter Cholesterinstoffwechsel und weniger Gefäßverkalkung. Basierend auf einem neuartigen Konzept der Präzisionsmedizin hält es sich aber gleichzeitig von solchen Geweben fern, wo unerwünschte Effekte auftreten könnten. Wie DZD-Wissenschaftler am Helmholtz Zentrum München im Wissenschaftsjournal ‚Cell‘ berichten, könnte der neue Wirkstoff in der Zukunft schnell und schonend gegen Fettlebern wirken.

Grafik: Dr.Timo Müller. Quelle: HMGU

Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, Fettleibigkeit und Herzkreislauferkrankungen nehmen vor allem in Industrienationen unvermindert zu, weshalb intensiv an neuen Behandlungsmethoden geforscht wird. Ein Ansatz ist die sogenannte personalisierte Medizin, bei der individuelle Therapien für bestimmte Patientengruppen maßgeschneidert werden. Adipositas- und Diabetespatienten mit Fettleber bilden solch eine Untergruppe, für die es bisher kaum Präzisions-Therapeutika gibt.

Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung ist nun dem Wissenschaftlerteam um Dr. Timo Müller und Prof. Matthias Tschöp am Helmholtz Zentrum München gelungen. „Ziel war es, das Schilddrüsenhormon T3 vermehrt in die Leber einzuschleusen und es möglichst von Herzmuskel und Knochen fernzuhalten“, sagt Müller, Leiter der Pharmakologie am Institut für Diabetes und Adipositas (IDO) des Helmholtz Zentrums München und Partner im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD). „Obwohl die vielversprechenden Effekte von Schilddrüsenhormonen auf den Fettstoffwechsel seit Jahrzehnten bekannt sind, konnten diese aufgrund bekannter Nebenwirkungen auf Herz und Knochen bisher nicht medizinisch genutzt werden“, so Matthias Tschöp, Direktor am Helmholtz Diabetes Zentrum und Alexander-von-Humboldt Professor an der Technischen Universität München. „Unser Trick mit dem Doppelhormon, ähnlich dem trojanischen Pferd, macht das jetzt zum ersten Mal möglich“, führt Tschöp fort, der das Konzept gemeinsam mit dem Chemiker Prof. Richard DiMarchi von der Indiana University in Bloomington, USA entwickelt hatte.

Mit trojanischem Pferd gegen Fettleber und Gefäßverkalkungen
Durch die Bindung des Schilddrüsenhormons T3 an Glukagon gelangt T3 nur in Zellen, welche den Glukagonrezeptor haben. „Der Rezeptor für Glukagon wird überwiegend in der Leber ausgebildet, fehlt aber in Herz und Knochen. Diese Beobachtung haben wir für unsere ferngesteuerte Medikamentenauslieferung benützt“, berichtet Dr. Christoffer Clemmensen, Arbeitsgruppenleiter am Helmholtz Diabetes Center und einer der beiden Erstautoren der Studie.

Im Rahmen ihrer Versuche konnten die Wissenschaftler eine Reihe positiver Effekte beobachten, die auf die Behandlung mit dem neuen Wirkstoff zurückgehen. So verbesserten sich im Versuchsmodell nicht nur der Zuckerstoffwechsel und die Cholesterinwerte, auch das Körpergewicht und die Verfettung der Leber wurde nachhaltig gesenkt.

„In unseren Augen ist die Entwicklung des neuen Wirkstoffs ein großer Schritt für die personalisierte Medizin“, erklärt Müller. „Sollte sich die Wirkung von T3 auch in klinischen Studien auf die Leber konzentrieren und sich Cholesterin dadurch sicher und gezielt senken lassen, könnte das schwerwiegende Gefäßverkalkungen aber auch Lebertransplantationen vorbeugen.“, so Prof. Susanna Hofmann von der Ludwig-Maximilians Universität, die die Untersuchungen zum Cholesterinstoffwechsel und zur Gefäßverkalkung leitete. Neben der Fortentwicklung des Wirkstoffs für die klinische Anwendung prüft das Team jetzt, welche weiteren Zielgewebe sich spezifisch ansteuern lassen, um die Wirkung von T3 dort selektiv zum Einsatz zu bringen. Müller fasst zusammen: „Das Wirkprinzip dieses neues Moleküls öffnet eine neue Tür für die Entwicklung personalisierter Stoffwechselmedizin.“

Weitere Informationen
* Bereits 2015 hatte das Team um Matthias Tschöp (Direktor des Helmholtz Diabetes Centers sowie Lehrstuhlinhaber für Stoffwechselerkrankungen der Technischen Universität München) und Richard DiMarchi (Indiana University) ein Dreifachhormon entwickelt, welches das Körpergewicht effektiv senkt und die Insulinwirkung signifikant verbessert. In einem weiteren Ansatz (ähnlich dem in dieser Studie) war es gelungen, die Wirkung von Östrogen durch Synthese mit GLP-1 gezielt auf den als Hypothalamus bekannten Bereich im Gehirn zu reduzieren.

Hintergrund:
In fettleibigen Mäusen bewirkte der neue Wirkstoff binnen weniger Tage eine Verringerung der schädlichen Cholesterinspiegel. Zudem wurde das Körpergewicht gesenkt und der Zuckerstoffwechsel verbessert, und dies ohne Nebeneffekte auf das Herz oder die Knochen. In weiteren Studien zeigte sich, dass das Molekül die klassischerweise mit Fettleibigkeit einhergehende Verfettung der Leber (Steatohepatitis) selektiv und deutlich verbessert. In Mäusen, welche auf Grund genetischer Veränderungen auf eines der beiden Hormone nicht reagieren hatte das Molekül dagegen keine Wirkung, was die zielgerichtete Wirkung des Moleküls auf die Leber beweist.