„Unser mangelndes Verständnis der Krankheitsmechanismen ist sicher ein Grund für die schwierige Lage“, sagt Tschöp, Direktor des Instituts für Diabetes und Adipositas am Helmholtz Zentrum München, zur weiterhin rasanten weltweiten Ausbreitung von Typ-2-Diabetes. Während viele Ansätze darauf abzielen, die Ursachen auf Ebene von Nervenzellverbänden zu verstehen, widmen er und sein Team sich der Kommunikation zwischen verschiedenen Zelltypen in einer bestimmten Hirnregion – dem Hypothalamus.
Zu viele Kalorien fördern Entzündungen im Gehirn
Der Hypothalamus gilt als wichtigste Schaltzentrale des vegetativen Nervensystems. Hier werden unter anderem der Kreislauf, die Körpertemperatur und das Sexualverhalten gesteuert, aber eben auch die Aufnahme von Nahrung sowie der Zellstoffwechsel in Fettgewebe und Leber. An dieser Stelle setzt Tschöp’s Projekt HypoFlam an, für das er und seine Kollegen vom ERC nun mit einem der renommierten Advanced Grants Forschungsförderung erhalten.
Zugrunde liegt die Beobachtung der Forscher, dass eine gesteigerte Aufnahme von Fett und Zucker zu Immunreaktionen im Hypothalamus führen. So konnten sie beobachten, dass durch den Verzehr von kalorienreicher Nahrung im Hypothalamus typische Prozesse ablaufen, die man auch nach Hirngewebsverletzungen sieht, etwa die sogenannten reaktiven Gliosen.
Mögliche Ursache für Diabetes
„Unsere Hypothese ist, dass die gesteigerte Aufnahme von Kalorien zu entzündungsähnlichen Prozessen im Hypothalamus führen und dieser dadurch in seiner Funktion beeinträchtigt wird“, erklärt Tschöp. „Die Folge wäre ein weiterer Kontrollverlust in Richtung mehr Übergewicht und Diabetes.“
Diese zu Grunde liegenden Mechanismen wollen die Forscher nun im Rahmen von HypoFlam aufklären. „Unser Ziel ist es, die zellulären Kontroll- und Kommunikationsprozesse aufzudecken und Stellschrauben zu finden, an denen wir eingreifen können“, so Tschöp. „Sollte das gelingen, könnten wir versuchen präzise und personalisierte Therapien zu entwickeln, um Diabetes und Adipositas ursächlich zu behandeln und nicht erst gegenzusteuern, wenn die Zellkommunikation in Kontrollzentren bereits irreversibel gestört ist.“