Dresden, 28.02.2024

Neue Erkenntnisse über proteomische und lipidomische Veränderungen während der Alterung insulinsekretorischer Granula

Endokrine Zellen nutzen sekretorische Granula für die Speicherung und regulierte Freisetzung von Peptidhormonen und Neurotransmittern - ein Prozess, der von verschiedenen raum-zeitlichen Faktoren wie der Nähe dieser Organellen zur Plasmamembran und ihrem Alter beeinflusst wird. Obwohl in jüngster Zeit bereits Fortschritte auf diesem Gebiet erzielt wurden, ist ein umfassender Überblick über die molekulare Zusammensetzung und die altersbedingten Veränderungen der insulinsekretorischen Granula (ISGs) der Betazellen der Bauchspeicheldrüse nach wie vor nicht gegeben. Nun gelang ein Einblick in die molekulare Zusammensetzung der ISGs, der zum besseren Verständnis ihres Verhaltens im gesunden Zustand und möglicherweise bei Diabetes von Bedeutung ist. Ein Team von Forschenden des Paul-Langerhans-Instituts Dresden (PLID) des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung, des Zentrums für Membranbiochemie und Lipidforschung der TU Dresden, der Max-Planck-Institute für Biochemie bzw. Medizinische Forschung sowie des Center for Molecular and Cellular Bioengineering hat einen neuartigen immunbasierten Ansatz für die Reinigung von ISGs vorgestellt. Das in der renommierten Fachzeitschrift "Cell Reports" veröffentlichte, verfeinerte Protokoll ermöglichte zum ersten Mal die genaue proteomische und lipidomische Profilierung von altersdifferenzierten ISG-Pools.

Die Exozytose, ein grundlegender zellulärer Prozess, der für den Transport von Stoffen aus den Zellen verantwortlich ist, ist besonders wichtig für die Aufrechterhaltung der Protein- und Lipidhomöostase der Plasmamembran. Eine geregelte Exozytose, die durch spezifische Signale wie erhöhte intrazelluläre Ca2+-Spiegel ausgelöst wird, ist für verschiedene Zelltypen von entscheidender Bedeutung, darunter auch für Peptidhormon-sezernierende endokrine Zellen wie die Betazellen der pankreatischen Inselzellen. Bisher war die Analyse altersdifferenzierter ISG-Pools jedoch eine Herausforderung, da es an zuverlässigen Reinigungsprotokollen mangelte.

Das Forschungsteam um Dr. Martin Neukam und Prof. Michele Solimena vom PLID hat sich diesen Herausforderungen gestellt, indem es einen immunbasierten Ansatz für die Reinigung von ISGs in Kombination mit einer Puls-Chase-Markierung des ISG-spezifischen Köder-Antigens entwickelte, um dessen Aufnahme nach dem Austritt aus dem Golgi-Apparat und der Sortierung in die ISGs zu beschränken. "Diese innovative Technik reduziert die Hintergrundinterferenzen drastisch und ermöglicht die Isolierung von hoch gereinigten ISGs, die als intakte Organellen eluiert werden können. Wichtig ist, dass der Ansatz für die Isolierung von altersdifferenzierten Insulin-SG-Pools angepasst werden kann", erklärt Neukam und fährt fort: "Unser Protokoll nutzt die Spezifität der Immunopurifikation und der Puls-Chase-Markierung und liefert hoch gereinigte ISGs. Diese Methode ermöglichte uns eine detaillierte Analyse der proteomischen und phospholipidomischen Profile von jüngeren und älteren SGs in INS-1-Zellen. Unseres Wissens nach ist dies das erste Mal, dass altersunterschiedliche Pools einer bestimmten Zellorganelle unabhängig voneinander isoliert und im Detail untersucht werden konnten".

 


© PLID

 

Die lipidomische und proteomische Zusammensetzung des ISG wurde untersucht und lieferte verblüffende Erkenntnisse. Es wurden Veränderungen in der lipidomischen Zusammensetzung des ISG im Laufe der Zeit festgestellt, mit einer bemerkenswerten Verschiebung im Verhältnis von Phosphatidylcholin zu Phosphatidylethanolamin. Diese Veränderung kann die Fluidität und Ladung der ISG-Membranen beeinflussen, was sich möglicherweise auf ihre exozytotischen Eigenschaften auswirkt.

Das Team entdeckte auch die bevorzugte Assoziation der Motorproteine KIF5b und RAB3a mit jüngeren ISGs und konnte so die Gründe für das unterschiedliche Verhalten altersunterschiedlicher ISGs aufklären. "Diese molekularen Daten bestätigen ein Modell, nach dem jüngere ISGs bevorzugt freigesetzt werden, während ältere ISGs eher dem Abbau durch Autophagie ausgesetzt sind. Die Unterschiede in den Lipiden könnten ihre Fähigkeit beeinflussen, zytosolische Proteine zu rekrutieren, wie z. B. Motorproteine, die am Mikrotubuli abhängigen Transport von ISGs beteiligt sind, und sich somit auf ihre Neigung zur Exozytose oder zum intrazellulären Abbau auswirken", erklärt Solimena.

Insgesamt stellen diese Ergebnisse einen bedeutenden Fortschritt in der Zellbiologie dar. Sie liefern wertvolle Erkenntnisse über die komplexen Prozesse, die die zelluläre Kommunikation und Exozytose steuern, und können in verschiedenen biomedizinischen Bereichen, z. B. bei der Erforschung von Diabetes, eingesetzt werden.

 

Original-Publikation:
Neukam M, Sala P, Brunner AD, Ganß K, Palladini A, Grzybek M, Topcheva O, Vasiljević J, Broichhagen J, Johnsson K, Kurth T, Mann M, Coskun Ü, Solimena M. Purification of time-resolved insulin granules reveals proteomic and lipidomic changes during granule aging. Cell Rep. Volume 43, Issue 3, 26 March 2024, 113836. https://doi.org/10.1016/j.celrep.2024.113836


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